(jesus.de / epd) - Während des Zweiten Weltkriegs waren in Einrichtungen der katholischen Kirche in Deutschland knapp 6.000 Zwangsarbeiter tätig. Mutmaßungen über deutlich höhere Zahlen könnten als «historisch widerlegt gelten», sagte Kardinal Karl Lehmann am Dienstag in Mainz bei der Vorstellung einer Dokumentation über die Zwangsarbeit in katholischen Einrichtungen. Dennoch bleibe das Schicksal der Zwangsarbeiter «eine historische Last, die unsere Kirche auch für die Zukunft herausfordert.»
Der Einsatz von Zwangsarbeitern sei lange «ein vergessenes Kapitel kirchlicher Zeitgeschichte» geblieben, erklärte Lehmann. Allerdings habe sich die Kirche dabei genauso verhalten wie der Großteil der Gesellschaft.
Die genaue Zahl der Kriegsgefangenen und Zivilarbeiter werde sich nie mehr ermitteln lassen, sagte Karl-Joseph Hummel, einer der Herausgeber der Dokumentation. So seien die meisten katholischen Archivunterlagen aus Schlesien, Pommern und Ostpreußen unwiederbringlich verloren. In siebenjährigen Recherchen konnten 776 katholische Einrichtungen ermittelt werden, denen Zwangsarbeiter zugeteilt worden waren. Für den Einsatz von KZ-Häftlingen hätten sich keine Belege finden lassen.
Die meisten dieser Menschen stammten den Angaben nach aus Polen und der Sowjetunion. Ein Großteil wurde zu landwirtschaftlichen Arbeiten verpflichtet. Hummel zufolge wurden die Zwangsarbeiter in kirchlichen Einrichtungen in der Regel besser behandelt als in Industriebetrieben. «Ein Programm ,Vernichtung durch Arbeit' hat es in katholischen Einrichtungen nicht gegeben», so der Historiker.
Ein Forschungsprojekt im Auftrag der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und ihres Diakonischen Werks hatte 2005 seine Ergebnisse in einem Sammelband vorgelegt. Etwa 12.000 bis 15.000 Männer und Frauen wurden im Zweiten Weltkrieg in Einrichtungen der evangelischen und katholischen Kirche zur Arbeit gezwungen, sagte der Marburger Kirchenhistoriker Jochen-Christoph Kaiser bei dieser Gelegenheit.
Die katholische Kirche hatte es im Jahr 2000 abgelehnt, sich am Entschädigungsfonds von Staat und Wirtschaft für die Zwangsarbeiter der NS-Zeit zu beteiligen. Stattdessen startete sie eine eigene Versöhnungsinitiative und stellte dabei unter anderem einen Betrag von jeweils 2.557 Euro (5.000 Mark) für alle noch lebenden Fremdarbeiter bereit. Bis zum Abschluss seiner Arbeit hatte der kirchliche Entschädigungsfonds Gelder an 587 Personen ausgezahlt.
Buchhinweis: Karl-Joseph Hummel und Christoph Kösters (Herausgeber): «Zwangsarbeit und katholische Kirche 1939-1945 - Geschichte und Erinnerung, Entschädigung und Versöhnung - Eine Dokumentation», Verlag Ferdinand Schöningh, Paderborn, 703 Seiten, 48 Euro, ISBN 978-3-506-75689-3
Quelle:
Jesus.de