Binden und Lösen aus jüdischer Sicht.
Text: Matth.18, 15-20
Will man diese Verse recht verstehen, muß man den Hintergrund beleuchten. aus dem Jesus
dies sagt.
Zuerst einige Bemerkungen zum Text selber.
In V.15 steht: "sündigt dein Bruder an dir" nicht in allen Handschriften, vor allem fehlt dies
im Codex Sinaiticus.
V.16: die "zwei oder drei Zeugen" ist ein Hinweis, daß es sich im Text um das Erscheinen vor
einem jüdischen Gerichtshof handelt, bzw., auf die Gemeinde =Ekklesia= angewendet wurde.
Siehe 5.Mose 19,15 und Vers 18 erklärend: "und die Richter forschen nach".
V .18-20 ist ein "Peschat" das heißt:
Eine der Form rabbinischer Schriftauslegung und bedeutet "schlicht, einfach" - der wörtliche
Sinn des Textes. Das heißt in dieser Passage, daß es einen Zusammenhang gibt zu
Gesetzesurteilen und der Halachach (= Bestimmungen zum Lebenswandel, in diesem Fall des
Sündigens) und nicht zum Gebet. Die Begriffe, die hier mit "verboten" und "erlaubt" Vers 18
wiedergegeben werden, bedeuten wörtlich: binden und lösen. In der Jewish Encyclopedia
3,125 steht dazu: "Binden und Lösen" (hebr. asar ve hittir) rabbinischer Terminus für
"verbieten und erlauben".
Die Macht zu binden und zu lösen beanspruchten stets die Pharisäer für sich.Unter Königin
Alexandra wurden die Pharisäer nach Josephus (Jüdischer Krieg 1.5.2.) "die Leiter aller
Dinge". Und sie begannen zu binden und zu lösen., was sie wollten und vertrieben und
führten herbei... Die verschiedenen Schulen hatten die Macht, zu binden und zu lösen, d.h, zu
verbieten und zu erlauben und sie konnten jeden Tag binden indem sie ihn zum Feiertag
erklärten. Diese Macht und Vollmacht, verkörpert im Rabbinertum jedes Zeitalters und im
Hohen Rat, war vom himmlischen Gerichtshof bestätigt.
Jesus bedient e sich also einer bekannten Formel, als er seine Jünger als Nachfolger berief.
Mit diesen Worten verlieh er ihnen praktisch die gleiche Vollmacht, wie sie die
Schriftgelehrten und die Pharisäer hatten, die "dem Volk schwere Lasten auferlegten doch
selbst keinen Finger rühren". Unnötig zu sagen, daß wir der späteren Praxis der Kirche nicht
zustimmen, daß diese Verse mit Sündenvergebung zu tun hat.
Nach christlichem Verständnis definieren die Verse 19-20 keine messianische Versammlung,
wie es in der Halachach, also der Vorschrift über die Lebensführung, vorgeschrieben ist für
die öffentlichen Synagogengebete, daß 10 beschlussfähige erwachsene Personen anwesend
sein müssen.
Das "zwei oder drei und Jesus" selbst als Anwesender gilt nicht für das Gebet. Freilich kann
man diese Stelle auch als Midrasch ansehen, indem man in den Text etwas hineinlegt, was
zwar nicht falsch ist, aber nicht den Kern des Textes trifft.
Jesus spricht aber hier zu solchen, die die Vollmacht haben, das messianische
Gemeinschaftsleben zu regeln. Er beauftragt sie damit, die Halachach (= die den
Lebenswandel bestimmende Regel) anzuwenden, Vers 15-17 und das bedeutet, daß sie in
Fragen der messianischen Lebensführung rechtmäßige Beschlüsse fassen konnten. In Vers 19
sagt Jesus: Wenn einem Gremium von zwei oder drei Gemeindeleiter ein Problem
vorgetragen wird und sie her auf Erden eine solche, die Lebensführung bestimmende
Entscheidung treffen würden, die Vollmacht Gottes im Himmel hinter ihnen steht. Da in Vers
16 und in Vers 19-20 die Wendung "zwei oder drei" auftaucht ist ersichtlich, daß es
tatsächlich über die Einigkeit über einen Gegenstand geht.
Es geht in diesen Vers schlicht um dies: Jesus sagt: "Wenn zwei oder drei von euch
(messianischen Gemeindeleitern) sich über die Antwort auf eine Frage der Lebensführung
oder eine Angelegenheit der öffentlichen Ordnung, über die ihr befragt werdet, einig seid,
dann wird diese Entscheidung die ihr trefft, (für sie die Menschen, welche die Fragen gestellt
haben) es so sein, als stamme sie unmittelbar von meinem Vater im Himmel. Und er
bekräftigt in Vers 20 durch die Zusage seiner Anwesenheit diese Tatsache.
Natürlich kann man auch die christliche Auslegung "hineinlesen", daß diese Vers auf das
Gebet zu beziehen sind und damit verkündigt, daß ihre Gebete "mächtig und wirksam sind"
nach Jak.5,16.
Quelle: Kommentar zum Jüdischen Neuen Testament Band 1, Seite